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«Wir sind doch nur 0.1 %» – warum dieses Argument für die Schweiz bei CO₂-Emissionen irreführend ist

«Wir sind doch nur 0.1 %» – warum dieses Argument für die Schweiz bei CO₂-Emissionen irreführend ist

In Klimadebatten wird oft der Begriff «nur 0.1 %» verwendet, um zu relativieren, welchen Beitrag die Schweiz gemäss territorialen CO₂-Emissionen global leistet. Diese Zahl ist korrekt – aber sie zeigt nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit. Wenn wir Klimaverantwortung ernst nehmen wollen, müssen wir breiter und tiefer blicken.

1. Territorial vs. konsumtionsbasierte Emissionen

Die offiziell gemessenen territorialen CO₂-Emissionen der Schweiz liegen bei etwa 35 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr, was rund 0.1 % der weltweiten Emissionen entspricht. Diese Zahl wird bei internationalen Vergleichen oft zitiert. Keystone-SDA

Das Problem: Dieser Wert berücksichtigt nur Emissionen, die innerhalb der Landesgrenzen entstehen – etwa Industrie, Verkehr oder Energieproduktion in der Schweiz.

2. Was passiert bei Importen und Konsum?

Ein grosser Teil der Umweltwirkung entsteht nicht innerhalb der Landesgrenzen, sondern dort, wo Produkte hergestellt werden, die wir in der Schweiz konsumieren.

Wissenschaftliche Erhebungen zeigen:

  • Importierte CO₂-Emissionen machen rund 80 % des gesamten Schweizer CO₂-Fussabdrucks aus. SWI swissinfo.ch
  • Der konsumbasierte CO₂-Fussabdruck pro Person – also inklusive aller importierten Emissionen – liegt bei etwa 14 Tonnen CO₂-Äquivalenten pro Kopf und Jahr. BAFU
  • Ohne diese Berücksichtigung würde ein entscheidender Teil unserer globalen Wirkung unsichtbar bleiben.

Damit gehört die Schweiz, gerechnet nach konsumtionsbasierten Emissionen, zu den Ländern mit hohem CO₂-Fussabdruck pro Kopf weltweit. SWI swissinfo.ch

3. Pro-Kopf-Emissionen im globalen Vergleich

Betrachten wir nur die direkten, territorialen Emissionen, so liegen die Schweizer Pro-Kopf-Emissionen bei etwa 3.8 Tonnen CO₂ pro Jahr, leicht unter dem globalen Durchschnitt. TheGlobalEconomy.com

Doch dieser Wert sagt wenig, wenn:

  • wir nicht die Emissionen aus importierten Waren und Dienstleistungen einbeziehen,
  • wir nicht die klimawirksamen Flugreisen und globalen Lieferketten betrachten,
  • wir nicht sehen, dass wohlhabende Konsummuster weltweit eine grosse Rolle für globale Emissionen spielen.

4. Verantwortung ist mehr als Grenzwerte

Warum spielt das alles eine Rolle?

a) Einseitige Zahlen verzerren die Wahrnehmung.

Nur auf territoriale Emissionen zu schauen, ist so, als würden wir den Energieverbrauch eines Smartphones messen, ohne zu sehen, wie viewie viel Energie für die Herstellung und Transportketten aufgewendet wurde.

b) Wohlstand bringt Nachfrage.

Unser hoher Lebensstandard und Konsum treiben globale Wertschöpfung an – und damit auch Emissionen in anderen Ländern. Diese Aussenzahlen sind real und messbar. SWI swissinfo.ch

c) Politische Debatten benötigebenötigen Kontext.

Zu sagen, die Schweiz sei global «unbedeutend», ist technisch korrekt, aber politisch irreführend. Denn Verantwortung bemisst sich nicht nur an territorialen Emissionen, sondern an Lebensstil, Konsumverhalten und globalen Lieferketten.

5. Klimawandel führt bei uns zu spürbaren Folgen

Gleichzeitig erlebt die Schweiz die Folgen der globalen Erwärmung besonders deutlich. Die Temperaturen steigen schneller als im globalen Durchschnitt, was sich z. B. in:

  • beschleunigtem Gletscherschwund
  • instabileren Hanglagen und Permafrostveränderungen
  • veränderten Niederschlagsmustern

zeigt. Diese Veränderungen treffen uns lokal – unabhängig davon, wo die Emissionen entstehen.

6. Schlussfolgerung

Das Argument «wir sind nur 0.1 %» mag auf territorialer Ebene stimmen – es ist aber zu eng, um echte Verantwortung abzubilden. Ein ganzheitlicher Blick offenbart:

  • Einen wesentlich höheren globalen Einfluss, wenn Konsum und Importe berücksichtigt werden.
  • Eine signifikante Rolle im globalen Kontext, als Wirtschaftsnation mit hohem Lebensstandard.
  • Die Notwendigkeit, Klimapolitik und Unternehmensstrategie so auszurichten, dass echte Wirkung erzeugt wird, statt bloss Prozentzahlen zu zitieren.

Wir stehen nicht am Rand der Verantwortung. Wir stehen in der Mitte – und können gestalten.


Quellen

Daten zur Schweiz und globalen Emissionen:

• Territorialer Anteil Schweiz ~0.1 % global: Keystone SDA / EU-Daten. Keystone-SDA

• Konsumbasierter CO₂-Fussabdruck der Schweiz (inkl. Importe ~80 % des CO₂ Fussabdrucks). SWI swissinfo.ch

• Konsumbasierte Emissionen pro Kopf ca. 14 Tonnen. BAFU

• Pro-Kopf-Emissionen territorial ca. 3.8 Tonnen. TheGlobalEconomy.com

• Globaler Kontext und Diskussion über konsumbasierte vs. territoriale Emissionen. ourworldindata.org

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